Werbung im Wandel der Zeit
Ein Blick zurück – und nach vorn
Jürgen Meier ist bereits seit nahezu 30 Jahren selbstständig und hat in dieser Zeit viel Erfahrung in Sachen Praxiswerbung gesammelt.
Hand aufs Herz: In den Augen einiger Physiotherapeuten schließen sich ein helfender Beruf und Werbung aus. Es soll allein die Leistung sein, die für die eigene Praxis spricht. Doch reicht die gute alte Mund-zu-Mund-Propaganda noch aus, heute auch „Empfehlungsmarketing“ genannt?
Einer, der die Wirkung von Werbung und Öffentlichkeitsarbeit schon früh erkannt und erfolgreich genutzt hat, ist Jürgen Meier. 1987 hat er seine physiotherapeutische Einrichtung in Rösrath bei Köln gegründet. Für THERA-BIZ blickt er zurück und beschreibt, welche Rolle die verschiedenen Werbemaßnahmen in den vergangenen 29
Jahren für seine Praxis gespielt haben.
Zwölf Therapeutinnen und Therapeuten sowie ein sechsköpfiges Organisationsteam: Jürgen Meiers Therapieeinrichtung zählt zu den größeren Praxen. Dass er 1987 als Einzelkämpfer begann, hat Meier natürlich nicht vergessen: „Als ich mein Unternehmen gründete, war ich 27 Jahre alt und ehrlich gesagt ziemlich naiv. Ich erwartete tatsächlich, dass die Patienten von selbst zu mir kommen würden“, erinnert er sich. Ortsansässige fanden jedoch anfangs kaum den Weg in seine Praxis. Über die Begründung kann Meier heute schmunzeln: „Viele dachten: ‚Den Jürgen kannte ich schon, da machte er noch in die Windeln. Da gehe ich doch nicht hin und mache mich frei!‘ So ist das auf dem Dorf.“ Also fing Meier an, ortsfremde Patienten zu behandeln – zum Teil zu Hause und oft bis Mitternacht. Der Vorstellungsbesuch bei den Ärzten im Ort und in der Umgebung führte zunächst nicht zum erhofften Erfolg. Was also tun?
Werbung nicht nur zur Weihnachtszeit
„Ich fing an, Fortbildungen zu machen, die es aber im Umkreis nicht oder nur selten gab“, so Meier. Genau in dieser Zeit wagte er die ersten Schritte in Richtung Werbung. „Sofort nach bestandener Prüfung schrieb ich die Ärzte in der Umgebung an, um ihnen meine neuen Kenntnisse mitzuteilen.“ Und geschrieben hat Meier noch viel mehr – nämlich Weihnachtskarten. „In der Vorweihnachtszeit kaufte ich bei ALDI Karten und sendete jedem Arzt und jedem Patienten Weihnachtsgrüße. Natürlich alles per Hand geschrieben.“ Nach einigen Jahren gab ihm ein Patient dann den entscheidenden Tipp: Er brauche nicht selbst zu schreiben, sondern könne Text und Unterschrift doch auch drucken lassen.
Gesagt, getan: Aus der Weihnachtskarte wurde der Weihnachtsbrief. Anfangs noch eigenhändig ausgedruckt, kuvertiert und für die Post sortiert, übernimmt das heute komplett die Behindertenwerkstatt in Köln. Angesichts rund 6.000 verschickter Briefe eine echte Arbeitserleichterung und ein finanzieller Aufwand, der sich für Meier lohnt: Sein wachsender Patientenkreis freut sich jedes Jahr über Weihnachtspost – und er über ein wirkungsvolles Werbemittel zur Patientenbindung.
„In Sachen Praxiswerbung bin ich damals geradewegs ins kalte Wasser gesprungen und habe vieles aus dem Bauch heraus gemacht“, erinnert sich Meier. Auf Erfahrungen und Gelerntes konnte er nicht zurückgreifen – und genau so ergeht es vermutlich vielenPhysiotherapeuten. Zahlreiche Ratschläge seiner Umgebung beherzte er, manche hingegen nicht: „Ich wurde zu Beginn oft gefragt, warum ich denn nicht dem Tennisverein oder einem anderen Verein beitrete. Dort würden sich doch am besten Kontakte knüpfen lassen. Weil ich aber kein Vereinsmensch bin, habe ich darauf verzichtet, auch wenn es den Anfang vielleicht um einiges vereinfacht hätte.“
Einfach war es zudem aus einem weiteren Grund nicht: Das Heilmittelwerbegesetz setzte der Praxiswerbung vor 30 Jahren sehr enge Grenzen. „Ich erinnere mich noch daran, dass ich im ersten Jahr meine Scheibenwerbung entfernen musste. Außer einem kleinen Schild war nichts erlaubt. Wie unproblematisch ist es dagegen heute“, stellt Meier erleichtert fest.
Die digitale Zukunft hat längst begonnen
Ein Medium hat in den vergangenen Jahren vieles verändert: das Internet. Für Meier wurde es früh als Werbemittel interessant. Dass das Internet aber solche tiefgreifenden Veränderungen auslösen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Heute ist er überzeugt: „Wer als Physiotherapeut keine eigene und – ganz wichtig – laufend gepflegte Website hat und sich nicht bei Facebook oder Twitter platziert, läuft meiner Meinung nach Gefahr, bald weg vom Fenster zu sein. Neulich auf einer Fortbildung stellte sich heraus, dass von 60
Teilnehmern nur die Hälfte eine eigene Website besaß. Noch erschreckender war aber, dass nur zwei Websites den heutigen Anforderungen entsprachen.“ Um von Ärzten, Patienten und Kollegen wahrgenommen zu werden, ist ein Internetauftritt heutzutage unverzichtbar. Doch physiotherapeutische Praxen genießen mit einer ansprechenden Homepage einen weiteren Vorteil: „Durch meine Internetpräsenz habe ich keine Probleme, gutes Personal zu finden.“
Information auf vielen Kanälen – auch im Wartezimmer
Auf die eigene Website allein setzt Meier natürlich nicht: Auf der Facebook-Seite seiner Physiotherapiepraxis postet er mindestens zweimal pro Woche einen Beitrag und teilt Themen, die für seine Patienten interessant sind. Außerdem hat er auf Facebook eine Dauerwerbemaßnahme gestartet, die Nutzer im Umkreis von 15 Kilometern auf seine Therapieeinrichtung aufmerksam macht.
In der Praxis selbst nutzt Meier ein neues Werbemedium: Digital Signage, auch „Monitor-Marketing“ genannt. In seinem eigenen Programm präsentiert er verschiedene Inhalte: „Ich stelle jeden einzelnen Mitarbeiter vor, jede Behandlungsform, die wir anbieten, und ergänze das Programm mit aktuellen Nachrichten und einem Sportkanal.“
Seine Kunden fühlen sich dadurch in Wartezeiten gut unterhalten – und vor allem bestens informiert. „Heute sprechen uns viele Patienten auf IGeL-Leistungen an, die wir in unserem Programm präsentieren. Weil man sich als Therapeut heute nicht mehr allein auf das klassische Rezept verlassen darf, ist das eigene Werbe- und Infoprogramm eine lohnende Investition.“
Für Jürgen Meier steht fest: Digitale Werbeformen werden zukünftig noch mehr als bisher über den wirtschaftlichen Erfolg einer Praxis entscheiden. Doch eines bleibt zu allen Zeiten wichtig: der persönliche Kontakt und das offene Ohr für die Bedürfnisse der Kunden. „Ich bekomme ja jeden Tag hautnah mit, was die Patienten beschäftigt. Mein Wissen gebe ich deshalb gern weiter, auch in Fachbeiträgen für lokale und überregionale Zeitschriften. Dazu wähle ich immer ein Thema, das die Leser interessiert, zum Beispiel Rückenschmerzen.“ Für wertvolle Tipps ist auch Meier immer offen. So lässt er sich beim Thema Praxismarketing von einer Agentur beraten und begleiten. „Der professionelle Blick von außen hilft, viele Dinge anders zu sehen – auch die eigene Praxis. So stellt sich das, was man jeden Tag macht und als selbstverständlich ansieht, oft als besondere Stärke heraus. Und das ist für das eigene Praxismarketing natürlich Gold wert.“
In Sachen Praxiswerbung ist Jürgen Meier in der Vergangenheit also viele Wege gegangen – und will auf einen auch in Zukunft nicht verzichten: „Ich hoffe, dass der gute alte Brief nicht gänzlich aus der Mode kommt. Es wäre einfach nur traurig!“